papirotazos
In dieser Firma scheint es üblich zu sein, Leute fürs Nichtstun zu bezahlen. Pringle soll's recht sein, ist aber doch etwas bescheuert. Der Chef ist ein Ignorant und weiß nicht, wovon er redet, was blöd ist, weil die Kunden dann glauben, ich dolmetsche einen Stuss zusammen. Dabei kann ich echt nichts dafür, wenn er den englischen Vertreter fragt, ob er in der Nähe von Edinburgh lebt, sagt, dass er weiß, dass sich dessen Frau gern auszieht (wortwörtlich! Was er damit meinte, ist mir bis heute schleierhaft, und ich habe mir die Freiheit herausgenommen, das nicht zu übersetzen), mich - und damit eigentlich den Gesprächspartner - ständig unterbricht und ganz allgemein ein Riesenarschloch ist ("Wie, der ist taubstumm? Dann brauchst du gar nicht hingehen" - behinderte Kunden sind nicht erwünscht, aha...). Die Mädels sind dafür nett und wir lachen uns die meiste Zeit kaputt. Gestern gab's mit den griechischen Vertretern (3 Brüder) auch was für's Auge, und wir waren alle zufrieden. Düsseldorf ist cooler als ich dachte (dabei ließ sich der erste Tag eher schlecht an, die ganze Nacht mit Bauchkrämpfen auf der Toilette inkl. Ohnmachtsanfall mit leichten Abschürfungen und blauen Flecken an Schulter und Arm sowie kurzem Krankenhausaufenthalt am Morgen danach... das alles nach 13stündiger Zugfahrt mit 2 kaputten Zügen, puh). Ach ja, und die Typen aus Barcelona haben geschrieben, sie haben noch nichts besprochen, melden sich aber innerhalb der nächsten zwei Wochen. Wenn also die Däumchen nicht schon grün und blau sind, bitte weiterdrücken! So, dann geh ich mal weiter nix tun. Tschö und bis bald!
Meine Überzeugung, es sei besser, alle Höhen und Tiefen im Leben voll auszukosten, als gleichgültig vor sich hinzudümpeln und nichts an sich heranzulassen, wird derzeit auf eine harte Probe gestellt. Dass mir der Meister etwas mehr unter die Haut gegangen ist als beabsichtigt, war mir klar (und er nicht ganz unschuldig daran). Dass er nicht ehrlich war, was seine "zwanglose Beziehung" zu einer verheirateten Mutter von zwei Kindern betrifft, allerdings nicht. Deshalb nahm es mich auch etwas mit, als er neulich engumschlungen mit ihr an mir vorbeispazierte. Nicht nur wegen der Frechheit der Aktion, auch, weil ich mir etwas anderes erwartet hatte als eine getunte Prolotussi, die dem Film "Manta Manta" entsprungen zu sein scheint. Der netteste Kommentar meiner Freunde, die alle Zeugen des Vorfalls wurden, stammte von Mister N: "Die sieht ja aus wie eine Nutte." Ich hätte es mir denken können, als er neulich sagte, er zöge einen alten Golf seinem Audi vor. Meine anfängliche Sprachlosigkeit wich nach einem kurzen Lachanfall eiskalter Wut, und angestachelt von ein paar eilig hinuntergeschütteten Schnäpsen stellte ich ihn zur Rede, was aber nichts brachte außer Gestammel seiner- und Fassungslosigkeit meinerseits. Es war eine absurde Situation, seine Milf stand zwei Meter daneben, als ich ihm erklärte, ich würde so eine nicht mal für Geld vögeln - der Schlappschwanz verteidigte sie nicht einmal ob meiner Beleidigungen. So kann man sich täuschen. Nun denn, Schwamm drüber. Mein Bruder meinte gestern: "Krieg' mal dein Leben in den Griff." Und hat damit ausnahmsweise mal recht. Habe heute bereits ein E-mail an die Typen in Barcelona geschrieben, um mich nach dem Job zu erkundigen, ein weiteres an Mister J, um die Fronten zu klären. Weitere gute Vorsätze beinhalten die Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für Mister L, mit dem Saufen aufzuhören und für den Dolmetschjob zu lernen, den ich am Mittwoch für zehn Tage antrete.
Wie bekommt man einen Typen aus dem Kopf? Und vor allem aus dem Herzen?
Die wandelnde Zeitbombe macht sich jetzt auf nach Zürich. Demnächst News von Mister J. Er hat ein Riesentalent, mich alles andere vergessen zu lassen. Hoffen wir das Beste.
Habe mich über einen Anruf von Schüler G gefreut und festgestellt, dass ich den kleinen Terroristen schon vermisst hatte.
Ich könnte mir den Kopf an der nächstbesten Wand zu Brei hauen. So schlimm war es noch nie. Unruhig, nervös, schlecht gelaunt, die Welt kackt mich an. Dabei gibt's doch gar keinen Grund zum Jammern. Na schön, das mit dem Job in Barcelona hat nicht geklappt und ich muss wieder von Null anfangen. Und ich habe so gar keine Lust, wieder unterrichten zu gehen für einen Hungerlohn. Urlaub hat auch nicht hingehauen, weil meine Freunde die unzuverlässigsten Säcke unter der Sonne sind. Und wenn nicht alles bis ins Kleinste und Monate im voraus geplant ist, kann man doch nicht einfach mal so in die Sonne fahren... diese Arschlöcher. Also wieder Solo-Trip. Nur - wohin? Hab' ausserdem nur bis Mitte Juli frei, weil ich dann Besuch von einem alten Freund/Lover bekomme, der vorhat, sich irgendwie hier einzunisten, wenn ich das richtig verstanden habe. Hilfe! Andere in meinem Alter kriegen Torschlusspanik, ich den Reißaus-Reflex. Und weil mir hier so schrecklich langweilig ist, komme ich auf dumme Ideen. Habe die Mrs Robinson in mir kurz wieder aufleben lassen, mit mäßigem Erfolg. Ansonsten sähe es nicht mal schlecht aus mit den Chancen beim anderen Geschlecht, aber irgendwie ist mir das alles zu doof. Und es geht mir ja doch nur um die Bestätigung. Hilfe, ich bin wieder 15. Das kommt davon, wenn man seine Jugend in festen Händen verbringt. Dabei habe ich meinen Rückstand mehr als aufgeholt. Mann, ich brauche dringend einen Strand, einen Mojito und eine Rückenmassage. Sofort!!!
Die letzte Schulwoche. Synonym für sonnige Tage ohne Stress (zumindest nach der Notenkonferenz), ein gemütlicher Ausklang des Jahres. Schüler und Lehrer begraben das Kriegsbeil für eine Weile, sind entspannt und voller Vorfreude auf den Sommer, es wird gescherzt und gelacht. Man grillt, geht Eis essen und erinnert sich an die Erlebnisse des Schuljahres.
So sollte es jedenfalls sein.
Das Schicksal spielt manchmal jedoch gewaltige Streiche. Und so hat sich in ebendieser letzten Woche das Schweigen auf die Schule niedergelassen, Trauer, Zorn und Angst gehen um. Mit einem Mal dämmert es allen, was es heißt, für das Leben zu lernen. Noten, Verweise und Prüfungen werden unwichtig. Wir alle konzentrieren uns auf das, was wirklich zählt.
Mitgefühl. Hilfsbereitschaft. Zusammenhalt.
Und wir, die Erwachsenen, müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Dabei können wir von diesen Schülern noch viel lernen.
Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.
Weißwein in der Bar "Zur lustigen Fliege". Ein Afrikaner mit dem üblichen Schnickschnack steuert unseren Tisch an.
"Buon giorno, come stai, guarda un po' qua."
"No, grazie."
"È un regalo, guarda. Elefantino porta fortuna."
"Sono già fortunata."
"Porta amore."
"Stammi lontano con l'amore."
"Come, no vuoi amore?"
"No, grazie."
Ein mitleidsvoller, abfälliger Blick trifft mich. Verärgert packt er wieder zusammen:
"Non vuole amore. Amore è vivere. Senza amore non vivere."
Eh già.
Ich bin kein Cliquenmensch. Umso mehr freut es mich, wenn ich es einmal schaffe, eine Handvoll meiner Freunde um mich zu scharen, um auszugehen, und alle Beteiligten sich gut verstehen, ja, sogar Spaß haben. So geschehen letzten Samstag. Mister M hat sich sogar ein bisschen in Miss V verguckt, die ihrerseits auch nicht mit Lob über den Typen sparte. Zum Glück habe ich beschlossen, keine Leute aus meinem Bekanntenkreis mehr zu verkuppeln. Na ja, egal. Jedenfalls ist Mister M jetzt eh in die Sommersaison gestartet, aus den Augen, aus dem Sinn... (? mal schauen).
Was dann geschah... Am Tag darauf hatte Miss V Besuch von einem entfernten Bekannten von der Arbeit, der - O-Ton - "so nett" sei, "überhaupt nicht anstrengend oder lästig von wegen dummer Annäherungsversuche usw." blah blah blah. Fakt ist, der Typ ist sterbenslangweilig. Stumm wie ein Fisch, sexy wie ein Holzbrett und leicht klettenhaft. Aber - laut Miss V - "will er wenigstens nichts von mir, und ich kann toll mit dem reden." Gemeinsam mit Mister M hielt ich ihr am Montag noch die Stange, dann war ich aber bei aller Freundschaft nicht mehr bereit, den Typen zu ertragen. Mister M natürlich auch nicht, der sich ja seinerseits Hoffnungen gemacht hatte.
Heute hörte ich von ihr und fragte sie nach ihrem tollen Bekannten, der nix von ihr will. Sie meinte, er hätte beim krampfhaft herbeigeführten Abschied (ja, da ist sie schnell) Tränen in den Augen gehabt. Soviel zum Thema "er will ja nix von mir."
Was in der Schule gepredigt wird, findet anscheinend beim Personal keinen besonderen Anklang. Vorige Woche ins Büro meiner Chefin zitiert, musste ich mir anhören, dass - laut den KOLLEGEN -
a) ich die Distanz zu den Schülern nicht immer wahre (stimmt genau),
b) mein Kleidungsstil laut den werten Kollegen nicht "angemessen" sei (hääää?)
c) man mich beim Rauchen auf Nichtrauchergelände gesehen hatte (oh ja)
d) meine Ausdrucksweise "unflätig" sei, weil ich einen Kollegen gefragt hatte, ob wir nach Feierabend noch was "saufen" gingen (auch korrekt, aber Schüler waren da sicher nicht in Reichweite...).
Nun, ich werde mir die Beschwerden nach Ferienende zu Herzen nehmen. Direkt nach der Standpauke war ich allerdings auf unserer Klassenfahrt nach Wien zu sehr damit beschäftigt,
a) alle Schüler vollzählig immer wieder heimzubringen, in welchem Zustand auch immer,
b) mir ihre Geschichten anzuhören und ihnen Tipps zu geben (nein, nicht nur "wie komme ich als Minderjähriger in eine Oben-ohne-Bar?"),
sowie
c) Streit zu schlichten, Konflikte zu lösen, Lanzen für diesen und jene zu brechen.
Natürlich hatten wir auch jede Menge
d) Spass.
Tja, zum Glück sind's nur mehr zwei Monate. Ich schätze mal, das nächste Jahr kann ich mir die Stelle abschminken.
Die Beziehung zu Mister L, den ich eigentlich aus Respekt vor seinen Gefühlen nicht mehr hier erwähnen wollte, habe ich diesmal beendet, in der Hoffnung, dass es besser so ist. Für beide. Ob es wirklich besser ist, erfahrt ihr dann hier so nach und nach.
Schüler G wurde neulich fast von der Schule geworfen und Schüler M musste zur Frau Direktor, weil er in der Mittagspause einen Erstklässler gepiesackt hatte. Ich musste da auch hin, weil ich in besagter Mittagspause Aufsicht gehabt hätte, es aber nicht rechtzeitig dorthin geschafft habe. War aber alles halb so wild.
Die gute Nachricht: Bald gibt's wieder neue Stilblüten. Die 1. Schularbeit in diesem Semester ist vollbracht.
Mister L bemüht sich, wie gesagt, redlich, und ich bin wahrscheinlich eine undankbare Sau, weil mir gestern der Kragen geplatzt ist. All die Blumen, Geschenke und kleinen und großen Aufmerksamkeiten tun zwar gut, sind aber nicht das, was ich mir tief in meinem Herzen wünsche.
Ich will die Augen schließen und mich fallen lassen, in der Gewissheit, dass da jemand ist, der mich auffängt.