papiroflexia
mich für etwas nicht interessieren, was teil deines lebens ist?
Gestern mit Mama Pringle einen Vortrag über Gebärdensprache und Hörimplantate besucht. Dass die Veranstaltung nicht geeignet für Schwerhörige war, hätten sie auch vorher sagen können. Mutti hörte zu wenig, um die Sprecherin zu verstehen, und zu viel, um auf die Gebärdendolmetscherin angewiesen zu sein. Was soll's, wenigstens die Cocktails waren gut.
Und jetzt gerade schreibe ich an einer Weihnachtsgeschichte. Im Kopfhörer läuft "Ihr Kinderlein kommet", im Büro die Klimaanlage und draußen der Schweiß aus allen Poren.
Ein angetrunkener Mister L philosophierte gestern über Freundschaft: "Ich habe mich mit einem meiner besten Freunde verkracht. Sowas kommt vor, aber man muss sich in einer derartigen Situation fragen, was einem diese Begebenheit nun sagen will. Was man daraus lernt und wie man das für sich selbst interpretiert."
Ich tröste ihn: "Ich habe im letzten Jahr mit meinen drei besten Freunden gebrochen."
Er so, mit mitfühlendem Blick: "Und, welchen Schluss hast du daraus gezogen?"
"Dass ich mit Arschlöchern befreundet war."
Man kann noch so sehr versuchen, ohne Erwartungen in eine Beziehung zu gehen - es kann einem sogar gelingen -, und doch kommt irgendwann der Moment, in dem sich die eigenen Ansprüche bemerkbar machen, Ansprüche, die vielleicht vorher gar nicht da waren und erst vom Partner geweckt wurden, aber im Weg und schwer wieder herunterzuschrauben sind.
Nun ist es so, dass mir noch von jedem meiner früheren Partner gesagt wurde, dass meine Ansprüche zu hoch seien, sie es mir nie recht machen konnten und ich einfach zu viel verlangen würde. Hinzu käme noch meine extrem verunsichernde Wortgewandtheit, die Diskussionen oder Streitgespräche von vornherein unmöglich machte, da sie nie wüssten, wie sie kontern sollten. Dass die Argumente, die dahinter standen, auch nicht ohne waren, wurde geflissentlich ignoriert.
Und nach einigen Beziehungen, in denen ich äußerst tolerant meine Erwartungen in den Hintergrund gestellt hatte zugunsten absoluter Freiheit meiner Partner (mit dem Resultat, dass sie sich rücksichtslos in eine Richtung entwickelten, die nicht wenig Schuld am Scheitern der jeweiligen Beziehung hatte: zum Alkoholiker, zum Kiffer, zum Schürzenjäger), habe ich nun beschlossen, die Grenzen meiner Toleranz etwas enger zu ziehen.
Es ist nämlich so: die wenigsten Menschen können etwas mit absoluter Freiheit anfangen. Absolute Freiheit im Denken und Handeln erfordert ein Verantwortungsbewusstsein sich selbst gegenüber, das nicht jedem gegeben ist. Und Verantwortung sich selbst gegenüber ist der erste Schritt zu verantwortungsvollem Handeln in einer Beziehung. Ich weiß, ein Unwort in der heutigen Zeit. Verantwortung. Pfui.
Wie schon Michael Endes Held Atréju richtig erkannte: die Aufforderung "Tu was du willst" ist nicht immer der Segen, für den man sie anfänglich hält.
Ich vertraue auf die Erkenntnisbereitschaft meines Helden. Wenn mich einer versteht, dann er.
"Wenn da die komplette Zeit über reininterpretiert wird, dass das, was ich geschrieben habe, so ein Stellvertreterroman für die Nullerjahre ist, muss auch anerkannt werden, dass der Entstehungsprozess mit diesem Jahrzehnt und den Vorgehensweisen dieses Jahrzehnts zu tun hat, also mit der Ablösung von diesem ganzen Urheberrechtsexzess durch das Recht zum Kopieren und zur Transformation."
Und weil Quellenangaben in den Nullerjahren vom Recht auf wildes Copypasten abgelöst wurden, könnt ihr mal schön erraten, wer da mit solch schwachsinnigen Äußerungen um sich wirft.
Erinnert ihr euch an die Schluss-Szene in Fight Club?
So irgendwie.
...Freunde, zu denen ich aufschauen kann. Sagt Mister M.
Der Big Boss verlässt die Firma und übergibt die Geschäfte den drei Jungs (auch "Hydra" genannt). Nicht, ohne mich vorher auf einen Kaffee einzuladen und mir für meinen Einsatz und die persönliche und berufliche Inspiration zu danken.
Der weise Ratschlag, nicht so zu enden wie er, gibt mir zu denken. Laufe ich Gefahr, irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen, will heißen, das wahre Leben vor lauter Ehrgeiz zu versäumen? Depressionen zu kriegen, die in ein Burn-out-Syndrom münden?
Lachend beruhige ich ihn und mich selbst, gebe ihm meinerseits die Erkenntnis mit auf den Weg, dass Freiheit nichts ist, vor dem man Angst haben muss, und kehre nachdenklich gestimmt an meinen Schreibtisch zurück.
Freiheit ist im Kopf, sagt mein Chef. Die Kunst ist nur, den Kopf nicht zu verlieren.
Hund: immer noch tot, Freunde: dünn gesät aber präsent und eine große Hilfe, Konto: aufgefüllt, Freund: wieder da (vorerst).
Keine Freudensprünge, aber die stille Hoffnung: alles wird gut.
Und sehr, sehr vorsichtige Manöver auf dünnem Eis.
...wenn man Freundinnen hat, denen es noch beschissener geht als einem selbst, und somit alle Hände voll zu tun, sie aufzumuntern. So habe ich gar keine Zeit, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ich das Richtige getan habe.
Ach und Cali: wir haben nach dem gestrigen Abend mit deinem Bardolino auf uns angestoßen. Gar nicht mal so übel, auch um 4 Uhr morgens nach 10 Vodka-Redbull und einem halben Kilo Pasta :)
Ach und: nachdem ich heute erst um halb 5 aufgestanden bin *freu*, habe ich die Wohnung geputzt und eine Übersetzung erledigt, um den finanziellen Schaden, der mir duch die ganze G-schichte entstanden ist, in Grenzen zu halten. Morgen ist Zahltag, juchu.
Und ja, ich freue mich auf Kuba. 2 Dinge hat die reisende Miss Pringle gelernt: es ist mir nicht bestimmt, London in diesem Leben zu sehen. Und ich werde in Lateinamerika immer alleine unterwegs sein.