papiroflexia
Neuer Job in einem Familienbetrieb mit sage und schreibe 9 Mitgliedern selbiger, die dort arbeiten. Einer davon ist mein Vorgesetzter, mit dem ich ein vielleicht nicht ganz normales, aber gutes Verhältnis habe. Seit unserem Marketing-Seminar inklusive Persönlichkeitsanalyse nennt er mich "Arschloch" und ich ihn "Kuschelbär". Das war nämlich die Diagnose des selbsternannten Experten, der das Meeting leitete.
Zum Glück bin ich nicht allein. Zu den weiteren Arschlöchern im Unternehmen gehört McDreamy, Cousin des Kuschelbärs und glücklicherweise in keinster Weise irgendeiner Chefetage angehörig. Und zwar deshalb, weil ich in seiner Nähe zum kichernden Teenager mutiere. Das letzte Mal ist mir sowas vor 6 Jahren passiert. Anstrengend aber schön. Und alles Weitere wird man sehen.
Und dann ist da noch McSexy, der Big Boss. Kein Familienmitglied, auch als Arschloch eingestuft (ich werd' auch mal selbst ernannte Marketingexpertin, dann kann ich Leute verunglimpfen und krieg' auch noch 'ne Menge Kohle dafür). McSexy hat mich eingestellt, verlangt das Unmögliche, und zwar sofort, und vermittelt mir insgesamt das Gefühl, mich auf die Probe stellen zu wollen. Dabei habe ich die Probezeit inoffiziell bestanden. Offiziell dann in 24 Tagen.
Frage nur ich mich, ob es an mir liegt oder an denen, dass es mich ständig in so skurrile Umfelder verschlägt?
Kaum zu glauben: auch Geschichten, die unendlich scheinen, können zu Ende gehen. Und so nervenzehrend das Abenteuer mit dem Meister war, so unspektakulär kam das Ende. Unerwartet. Und endgültig. Deswegen heißt es auch so. Zurück bleiben einige wenige schöne Erinnerungen, ein unbestimmtes Gefühl der Dankbarkeit, weil er mir doch in einer schwierigen Zeit das Leben etwas leichter gemacht hat, und ein Paar Stiefel, die er mir in einem seltenen Anfall von Großzügigkeit geschenkt hat. Sollte man nie tun, sagt Mutti. Wer Schuhe verschenkt, muss damit rechnen, dass die beschenkte Person damit wegläuft.
Der Sommer ist zu Ende. Und entgegen Miss Ts Prophezeiung war es kein Summer of love. Eher ein Sommer voller Stolpersteine im zwischenmenschlichen Bereich und trotzdem ein Sommer, der den Freunden gehörte. Ein Sommer voller rauschender Nächte, voller nachdenklicher Tage und voller Selbstzweifel. Und seit Juli setzte man alle Hoffnungen in den Herbst.
Der war voller Neuanfänge. Neuer Job, neue Bekanntschaften, neue Probleme. Neue Stadt. Neue Herausforderungen. Miss Pringle scheint recht erfolgreich zu sein. Ein neues, gutes Gefühl. So schön das Lehrerdasein war, so dringend bedurfte es neuer Aufgaben. Und damit die viele Arbeit nicht langweilig wird, gibt es ein bisschen was (wen) zum Träumen obendrauf.
Pringle: "Was für ein hässliches EM-Maskottchen. Was soll'n das sein?"
Papapringle: "Keine Ahnung. Ein Autoknacker?!?"
Priceless: von der Schule abgeholt werden... dabei ist die Matura nun doch schon 15 Jahre her.
Der Meister überrascht mich mit neuem Haarschnitt und spontanen Eingebungen (und einer Galanterie, die ich ihm - *schäm* - nicht zugetraut hatte). Und so kommt es, dass wir an einem Samstagnachmittag im Mai das Auto mit zwei Rucksäcken voller Winter- und Sommersachen beladen und einfach losfahren. Irgendwohin, wo etwas los ist und ordentlich gefeiert wird. Das Münchner Olympiastadion erweist sich als die richtige Wahl, das Schicksal als gerecht (Schweinsteiger hat schließlich Real Madrid aus dem Bewerb geelfmetert), die Stimmung als gewohnt gemütlich mit vereinzelten Euphoriespitzen.
Ich bitte die Banalität der nun folgenden, doch etwas proletenhaft anmutenden Aussage zu entschuldigen, aber ich liebe es, mit einem Mann, mit dem ich das Bett teile, auch mal ein gepflegtes Besäufnis hinzulegen - ohne Streit, Vorwürfe, Fremdschämen oder unangenehme zwischenmenschliche Missverständnisse.
Nach einem ausgiebigen Katerfrühstück in einem der schönsten Cafès Münchens geht es noch auf einen Sprung in den Englischen Garten, wo wir unter dem chelseablauen Himmel ein wenig chillen, den Enten zuhören, Unmengen an Wasser trinken und uns mit Metaphern bewerfen. Wobei der Meister diese Disziplin erfunden zu haben scheint und ich mich bei der Interpretation seiner Anspielungen so doof stelle wie meine SchülerInnen.
Ich habe Angst.
Abendessen mit dem Meister. Er wirkt nachdenklich. Unentschlossen. Unzufrieden? Wir plaudern über dies und das, schließlich rückt er mit der Sprache heraus.
"So irgendwie weiß man bei uns ja nicht genau, wohin die Reise geht."
"Doch. Ich fahre nach Thailand."
"Ich meinte damit nicht deinen Sommerurlaub."
"Oh."
"Wir benehmen uns wie ein Paar, sind aber keines."
"Hm."
"...Oder etwa nicht?"
"Woraus schließt du, dass wir uns wie ein Paar benehmen?"
"Du küsst mich. Auf den Mund."
"Aber doch nicht vor anderen Leuten. Außerdem mach' ich das gerne."
"Es stört mich ja nicht. Nur ist es halt so, dass ich das sonst nicht mache."
"Soll ich es lassen?"
"Bitte nicht."
Ich suche nach einem unverfänglichen Thema. Dass er sich Gedanken über die Art und Zielführung unserer - ja, was? - Beziehung? macht, ist ein Gedanke, der mir nie im Leben gekommen wäre. Später, als wir vollständig angezogen nebeneinander auf dem Bett liegen und Händchen halten, greife ich das Thema noch einmal auf, obwohl ich noch immer keine Ahnung habe, was ich sagen soll.
"Wolltest du mir sagen, dass du keine Beziehung willst? Das hatten wir nämlich schon. Vor fünf Jahren."
"Oh mein Gott, willst du jetzt weiterdiskutieren?"
"Nein. Eigentlich nicht."
"Nein, red nur. Ich will ja wissen, was du denkst."
"Ich stelle mir nur die Frage, ob du denn wissen musst, wohin die Reise geht. Oder ob es nicht viel schöner ist, es nicht zu wissen."
"Eigentlich hast du recht."
"Bist du denn verliebt?"
"Nein, wir vögeln ja nur. Oder?"
"Naja, nur zu dem Zweck hätte ich mir auch was Neues suchen können."
Er feixt. "Vielleicht war ich nur gerade am Leichtesten zu kriegen."
"Bist du das nicht immer?"
"Für dich schon."
Das in mir aufblubbernde Kichern geht in einem langen Kuss wieder unter. Die gerade auf wunderbare Weise erträgliche Leichtigkeit des Seins macht mich glücklicher als jede einzelne fucking Beziehung, in der ich jemals war. Zeit, umzudenken.
Miss S ist stolze Mama eines 1einhalb Monate alten Schreihalses mit dem wunderschönen Namen Vera. War heute das hoffnungslos übernächtigte Muttertier besuchen und Klein-Vera schrie drauflos, dass es eine Freude war - Koliken, alles ganz normal in den ersten drei (?) Monaten. Nun ist es so, dass die Kleine sofort zu schreien aufhört, wenn man den Fön einschaltet. Da lässt sich doch was machen. Wie gut, dass Pringlepapa bestens ausgerüstet ist, wär doch gelacht, wenn wir keine 5stündige mp3 zusammenkriegen, um der geschlauchten Mama ein bisschen Ruhe zu gönnen.
Mittwoch:
Gemütliches Beisammensein mit Miss M und Miss S und Aufarbeitung der zerbrochenen Beziehung bei Prosecco und Häppchen (0,3 Promille)
Donnerstag:
"I will survive"-Party mit den männlichen best friends bei Filet und Bier (0,5 Promille)
Freitag:
Citytour mit den Mädels inkl. Clubbesuch und Laberstunde mit bescheuerten Mistern (1,8 Promille)
Samstag:
Feuchtfröhliche Büroeinweihung von Mister Architekt (1 Promille), Geburtstagsfeier von Miss M bis 5 Uhr morgens (0,8 Promille)
Sonntag:
Schließung des Apres-Ski-Stadls im Nachbartal (0,8 Promille), Pizza und Kuscheln (leider immer noch 0,4 Promille)
Montag:
Kampftrinken und Dartsmatch mit Miss Schmetterling und dem Liebespaar, das keines ist (1,3 Promille)
Dienstag:
Eröffnungsparty eines neuen Lokals, Stalkerabwehr, ich will noch ein bisschen tanzen (Promillewert wird nicht mehr angezeigt)
Als Frau hat man ja das Privileg, dass man nicht immer wissen muss, was man will. Allerdings sollte dieser Zustand zeitlich begrenzt sein und nicht zur Gewohnheit werden.
Dass ich Mister A definitiv nicht mehr will, ist mir seit ca. zwei Tagen klar. Nach 4 durchweinten Nächten, 100 Drinks, 200 analysierenden Gesprächen mit Freunden, 50 Komplimenten von Wildfremden und 600 Stunden Freiheit seit dem Ende unserer Beziehung.
Dass ich Mister L nie wieder will, ist mir seit etwa einer Woche klar. Falls sich noch jemand erinnert: Mister L war 3 Jahre meine ganz große Liebe und auch danach nie wirklich ganz von der Bildfläche verschwunden. Ich hatte ihn wohl etwas zu sehr auf einen Podest gestellt, denn jetzt wird er überraschend Vater - und kann, gelinde gesagt, nicht so richtig mit dieser Situation umgehen. Er scheint seine Eier irgendwo verloren zu haben, und ich jeglichen Respekt vor diesem Häuflein Elend, das immer wieder nach Ausreden sucht - und weder konsequent genug ist, um die Beziehung zur zukünftigen Mutter seines Kindes zu beenden, noch so integer, ein anständiger Partner und Vater zu sein. Ein Trauerspiel.
Bleibt wieder einmal nur... der Meister. Von dem ich immer genau weiß, was ich will. Der aber momentan einen Kuschelkurs fährt, der mich nachdenklich macht. Vielleicht verarscht er mich ja nur, aber was, wenn nicht? Und die doofste wichtigste Frage überhaupt: Was, wenn mir das irgendwann gefällt?
Uff.
P.S. Damit ihr nicht glaubt, sonst tut sich nix: Miss Pringle kriegt den ganzen Sommer bezahlten Urlaub und wird voraussichtlich anderthalb Monate nach Thailand fahren (hab' gerade Hangover 2 gesehen). Dann wartet ab September ein Job auf mich, der richtig cool und spannend klingt. Näheres dazu, sobald ich den Vertrag unterschrieben habe.
Nach langer Zeit höre ich endlich wieder meine Musik. Ich esse wann und wo und was ich will, und ich gehe mit wem und wohin ich will. Meine Neurodermitis und die ständige Unruhe sind verschwunden, ebenso wie knapp fünf Kilo Hüftgold. Ich lasse Wasserhähne laufen, Lampen brennen und Kekskrümel auf die Couch fallen. Ich sage, was ich denke, und zwar lieber einmal zu oft als einmal zu wenig.
Ich ziehe mich an, wie es mir gefällt, lächle, weil ich es so meine, und tanze mit tausend Menschen durch die Nacht. Und wenn ich mich schlafen lege, ertappe ich mich dabei, wie ich mich absichtlich mit der Bettdecke verkehrt herum zudecke, weil er immer schimpfte, wenn die Druckknöpfe in Gesichtsnähe waren.
Und am Morgen wache ich neben dem Menschen auf, neben dem ich immer schon am liebsten aufgewacht bin. Weil er mich noch ein bisschen in den Armen hält, mich fragt, wie ich geschlafen habe und mir ganz allgemein ein bisschen Angst macht. Weil sich hinter seinem Engelsgesicht ganz, ganz schmutzige Gedanken verbergen. Die er meisterhaft in die Tat umzusetzen versteht.
Mal sehen, wie sich mein Männercurriculum so liest...
Es waren so einige darunter, manche haben es auf dieses Blog hier geschafft, andere nicht. Das hat weniger damit zu tun, wieviel sie mir bedeutet haben, als mit ihrem, sagen wir, Unterhaltungswert. Für mich und für euch.
(Einer liest hier auch sporadisch mit, und ich bezweifle, dass er mich zum Therapeuten schicken würde...)
Es gab lange Beziehungen, die längste hielt fünf Jahre (mit zwei Jahren Nachwehen), war aber bei weitem nicht die wichtigste, und es gab kurze Beziehungen (danke für den netten Monat, Sixie - oh, und die nette Woche, Meister). Es gab One-Night-Stands, Two-Night-Stands und Möchtegernbeziehungen, die nie zustande kamen, aber alle Beteiligten eine ganze Weile in Atem hielten. Es gab Beziehungen, in denen ich mich pudelwohl fühlte, und einige wenige, die sich eher wie ein Kleinkrieg um die Vorherrschaft anfühlten.
Rein äußerlich ist kein Muster zu erkennen. Die Typen ähneln sich weder vom Aussehen noch vom Alter, sozialem Status oder sonstigen unwichtigen Merkmalen her. Charakterlich auch nicht, und wenn ich so über ihre Macken nachdenke, war das auch ein bunt gemischter Topf voller Überraschungen: vom Freizeitalkoholiker über den manisch-depressiven Borderliner bis hin zum relativ mitgenommenen Scheidungskind (davon gab's einige, aber das ist wohl eher ein Phänomen unserer Zeit als eine bewusste Wahl) war so ziemlich alles dabei, ebenso wie der biedere Bankangestellte mit Kinderwunsch, der reiche Künstler (arme Künstler gibt's wie Sand am Meer) und der bindungswütige Kuschelbär.
Manchmal (meist, aber auch das führe ich auf die Tatsache zurück, dass es laut Statistik eher die Frau ist, die sich zu diesem Schritt entschließt) habe ich Schluss gemacht, manchmal wurde ich sitzengelassen. Mal war es wegen nicht mehr zu tolerierenden schlechten Gewohnheiten, mal, weil die Liebe einfach nicht mehr da war.
Die große Liebe war auch darunter, und das sogar mehrfach. Nein, es kann nicht nur Einen geben, das wäre ein äußerst pessimistische Einstellung, die ich nie, nie, niemals teilen möchte. Einmal bin ich geflüchtet, einmal - diesmal - er.
Bindungsangst, ja klar, hab' ich. Aber das ist etwas, was ich mit vielen Menschen gemeinsam habe. Wenn die alle zum Psychodoktor rennen würden, wären die Wartezimmer dort überfüllt. Viel wichtiger: ich bin in erster Linie ein verdammt intelligentes Mädchen und daher auch lernfähig. Ich weiß um meine Fehler und versuche sie nicht zu wiederholen. Ich weiß, wann ich kämpfen muss und wann ich besser aufgebe. Ich stelle mich immer wieder in Frage (und mit mir die ganze Welt), und ich bleibe gerne - wenn sich das Bleiben lohnt. Bei einem Job, bei einem Kerl, an einem Ort.
Bis zu diesem Mann hatte ich vielleicht keine große Lust zu bleiben. Diesmal bin ich geblieben. Mit allen Konsequenzen. Und wurde enttäuscht. "Muster" my ass.